Raymond Pettibon (*1944 USA)

Es gibt nur wenige Künstler, die eine derartig umfangreiche zeichnerische Produktion vorzuweisen haben wie Raymond Pettibon. Er selbst allerdings sagt von sich, er sei ein schlechter Zeichner - eine Begründung (kein wirklicher Grund) dafür, daß er in seinen Schrift-Bild-Kombinationen auf das Modell des Comic zurückgreift.

Vom Comic übernimmt er neben der allgemeinen Konzeption seiner Blätter vor allem Elemente der zeichnerischen Darstellung und bestimmte Figuren, die er aber im Sinne seiner eigenen künstlerischen Konzeption einsetzt und deutet. Die Figur Gumby aus einer Comic-Serie (ursprünglich der 60er-Jahre) von Art Clokey bezeichnet er als sein alter ego, da Gumby, eine Figur aus biegsamem Material - im wörtlichen Sinne beeindruckbar - die Fähigkeit hat, sich in Bücher hineinzubegeben, an deren Handlung teilzunehmen und sie zu verändern. So wehrt auch Pettibon sich gegen den Anspruch „eigener“ künstlerischer Erfindung und erzeugt den Schein, das textliche und bildliche Material für seine Arbeiten aus fremden Quellen zu beziehen.

In der Tat gehört neben den Comics und Idiomen aus der Musik-Szene, der Welt der Surfer, des Underground, der journalistischen Berichterstattung, der patriotischen Ideologien auch die Weltliteratur von der Bibel bis John Ruskin, von Shakespeare bis James Joyce oder Henry James zu den Quellen, denen er zeilenweise Zitate oder einzelne Phrasen entnimmt, um sie mit Motiven seiner Bildwelt zu verbinden. Motivbereiche, auf die er immer wieder zurückkommt, sind beispielsweise die Bibel, das Surfen, die Eisenbahn, das Licht / die Lampe, der Penis / Erektion, Wolken, Schraffur, die Comic-Figuren Gumby und Vavoom, das Schreiben, Buchstaben und Zeichen usw. Von gewissen, sehr pointierten Zeichnungen aus der ersten Hälfte der 80er-Jahre abgesehen, gibt es häufig eine produktive, neuen Sinn generierenden Spannung zwischen den verschiedenen Elementen einer Arbeit, insbesondere zwischen Schrift und Bild. Wobei Pettibon in der überwiegenden Zahl der Fälle zwar den Anschein erzeugt, die Texte seien zitiert, während er sie in Wirklichkeit aber selbst schreibt in einer Weise, wie sie in Quellen der verschiedensten Herkunft hätten gefunden werden können. U.L.

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