Ilona Rüegg (*1949 Schweiz)

In Ilona Rueggs beiden Serien von Stadtbildern Town Town und Fair Town sind keine Menschen abgebildet. Es sind «bloss» provisorische Anordnungen von menschlichen Behausungen (Wohnwagen) und Fragmente temporärer Städte in der Stadt (Freizeitpark) wahrnehmbar.

Es geht nicht um bestimmte Objekte oder Motive, sondern um nichts anderes als changierende Relationen zwischen kaum erkennbaren Elementen, Hell-Dunkel-Kontraste, ein komplexes Raumgefüge aus Einblicken, Durchblicken und Spiegelungen. Was wir sehen entspricht keiner objektiven, klar identifizierbaren, nachvollziehbaren Realität. Durch den Blick konstruieren wir uns jedes Mal einen anderen provisorischen Raum. Wir improvisieren aufgrund der reichen Möglichkeiten, die uns offenbart werden. Ilona Rueggs Fotoarbeiten verbinden auf paradoxe Art Genauigkeit und Unbestimmtheit: Trotz einer äusserst präzisen Bildeinstellung gelingt es der Künstlerin, vieles in der Schwebe zu lassen. Ihre Städte und Naturausschnitte sind gekennzeichnet durch eine prinzipielle Unfassbarkeit, genauer: Unbestimmbarkeit oder Offenheit, die für die in den Beobachtungsprozess involvierte Person immer nur als subjektivistische Wirklichkeit erscheint.

Die Fotoserie Hang und Neigung von Ilona Ruegg besteht aus dem (illusorischen) Versuch, einen Abhang bildparallel darzustellen, ohne dass uns ein Hauptmotiv bei der Bestimmung von oben und unten, vorne und hinten helfen würde. Vor unseren Augen konkretisiert und verflüchtigt sich Unterholz, Unterschwelliges, Strukturloses, Raumloses, reines Dazwischen. Der Grad der Steilheit des Hangs ist nicht auszumachen. Tiefe ist kaum angedeutet. Alles ist (untereinander und in Bezug zum Betrachter) distanzlos. Wichtiger als der Hang oder die Neigung im Bild ist der Hang oder die Neigung des Betrachters gegenüber dem Bild. Nur beim aktiven Wahrnehmen verliert es die Distanz, gewinnt es an Tiefe. Nur durch das Sehen erhält das Wahrgenommene Relationen, die nicht vorgegeben waren, sondern sich einzig aus dem Medium der Anschauung ergeben. Das Bild ist nicht Abbild, sondern das ständig wechselnde und ununterbrochen von neuem sich erzeugende Resultat eines geistigen Vorgangs. BF

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