Der schottische Maler hat eine Technik entwickelt, die zu veranschaulichen erlaubt, dass der Akt des Malens immer auch ein Akt des Auslöschens ist. Innes macht Malerei durch Auftragen von Farbe und ihr (parzielles) Auswaschen intensiv sinnlich erfahrbar und weist gleichzeitig hin auf die Dialektik des An- und Abwesenden, des Vergangenen und Gegenwärtigen, des Öffnens und Schliessens, des Diaphanen und Opaken, des Bildträgers und der Farbschicht, des Pigments und des Bindemittels, kurz: er erforscht pragmatisch nicht nur die Grundlagen der Malerei, sondern auch das sehr breite Feld von Möglichkeiten innerhalb der abstrakten Malerei.
„Entmalte“ Callum Innes früher Teile monochromer Leinwände, so löst er seit etwa 1997 systematisch Segmente von horizontalen Farbbändern auf weisser Grundierung auf. Diese Gemälde nennt er Exposed Paintings. Dazu gehören Pewter on White mit auf der linken Bildhälfte beinahe vollständig gelöschtem silbergrauem Band und das kühle, beinahe immaterielle Cerulean Blue on White mit einem rechterhand ausgewaschenen dünnen Streifen, damit das verbleibende Blau annähernd ein Quadrat ergibt. Beide Bilder sind 1998 entstanden. Die mit Terpentin und Pinsel wieder weggemalte Farbe ist nur noch durch ein dünnes Rinnsal am unteren Ende des grauen oder blauen Farbblocks und an der jeweils gegenüberliegenden Bildkante angedeutet.
Die zumeist grossformatigen Bilder aus der Serie Resonance entstehen aus dem raschen, punktuellen (nur mit der Pinselspitze getätigten) Auftrag stark verdünnter weisser Farbe. Das geschieht so lange, bis das ganze Bild zu fliessen beginnt. Die Wahl des Abbruchs ist entscheidend.
Jedes Gemälde ist das Resultat eines in der Zeit arretierten Malprozesses, d.h. es entsteht aus der Interaktion zwischen chemisch-physikalischen Ereignissen und der physischen Aktion des Künstlers. Die Wahrnehmung eines Gemäldes von Callum Innes ist eigentlich eine Umkehrung seines Fabrikationsprozesses. B.F.