Die amerikanische Künstlerin Andrea Fraser (*1965) gilt als eine der wichtigsten Begründer:innen der Institutional Critique.
Seit
Mitte der 2000er Jahre haben sich ihre Performances und Video-Installationen
von der Untersuchung institutioneller Systeme hin zu derjenigen
soziopolitischer Strukturen zugewandt, die Identitäten und soziale
Ordnungen produzieren und reproduzieren –
so auch in ihrer Videoinstallation Men on the Line : Men Committed to
Feminism, KFPK, 1972 (2014). Darin eignet sich Fraser die Stimmen von vier
Männern an, die 1972 im Berkley Radio KPFK über Feminismus debattierten.
Sie präsentiert diese Gruppendiskussion in einer Solo-Performance, wobei sie
Gesten übernimmt und Kleider trägt, die heteronormativ gelesen als “männlich”
gelten. Die Arbeit enthüllt, auf stellenweise komische Art, jedoch ohne jemals
kompromittierend oder ironisch zu werden, die Verstricktheit der Männer in
einen akademischen Diskurs und ihre Schwierigkeiten, über Geschlechtergrenzen
hinaus zu denken, während sie ihre Unterstützung gegenüber dem Feminismus und
Frauenrechten ausdrücken. Im Re-Enactment der unterschiedlichen männlichen
Perspektiven thematisiert Fraser zentrale Anliegen der feministischen Bewegung.
Die Aufnahme führt die fortlaufende Aktualität des Themas vor Augen und
reflektiert die Diskussion zu Gender und dessen Intersektion zu anderen
Diskriminierungskategorien.
Anlässlich der Eröffnung
zur Ausstellung dieser Arbeit in der Galerie Nagel Draxler in 2014, performte
Fraser das Stück live auf der großen Bühne der Volksbühne vor ausverkauftem
Haus. Neben dem Video gehören zu dem Werk, neun „Seminarstühle“, auf denen das
Publikum Platz nehmen soll.
Der Ankauf spiegelt Andrea
Frasers langjährige Verbindung zur Kunsthalle Bern: Als ihren Beitrag für die
Ausstellung Genius Loci (1988, kuratiert von Bernhard Fibicher) machte
sie das Archiv der Kunsthalle Bern öffentlich zugänglich, indem sie es
unverändert in den Ausstellungsraum versetzte. In den letzten Jahren wurde
Korrespondenzen aus dem Prozess zu Genius Loci in Archiv-Ausstellungen (2016,
2021) gezeigt und 2020 war ihre Videoarbeit Kunst Muss Hängen (1990)
Teil der Ausstellung No Dandy, No Fun (Kuratiert von Hans-Christian Dany
und Valérie Knoll).