Martin Creed (*1968 England)

Der 1968 in England geborene Martin Creed begann während seines Studiums in der Slade School of Fine Arts seine Werke – mehr oder weniger chronologisch, aber nicht durchgehend – zu nummerieren, um ihnen eine präzise und dennoch anonyme Identität zu verleihen.

Mit der Konzeptkunst verbindet ihn das Prinzip, dass ein Werk nicht unbedingt ausgeführt werden muss, mit der Minimal Art die kühle formale Präzision vieler Arbeiten. Martin Creed ist im Grunde genommen ein Minimalist. Er versucht, mit beinahe nichts so wenig wie möglich zu machen. So knüllt er ein weisses Blatt US- Briefpapier zusammen und legt es wie eine Skulptur auf einen speziell designten Sockel: Werk Nr. 301 ( a sheet of paper crumbled into a ball). Die Sockelbasis hat genau dasselbe Format wie das Normblatt. Creed interessiert sich nicht nur für die Kunstobjekte per se, sondern auch für ihre Verbindung zur engsten Umwelt, d.h. für ihre Präsentationsmodalitäten und –orte wie zum Beispiel Boden und Wand. Work No. 264: Two protrusions from a wall thematisiert den Bildträger „Wand“, der gleichzeitig zum Kunstobjekt wird. Oder umgekehrt könnte man sagen, dass das Objekt beinahe unmerklich in die Wand überfliesst.

Die Arbeit sieht aus, als würden zwei Kugeln von hinten in die Wand gedrückt und den Verputz sprengen, und weckt vom Künstler mit einem Augenzwinkern bewusst herbeigeführte Assoziationen mit Riesenbrüsten: die Wand als Nährmutter der Kunst? Dann aber eher der Malerei. Die protrusions sind aber Skulpturen, weisse Skulpturen. Sie sind genauso weiss, wie die Wand. Und darum vielleicht doch so etwas wie Gemälde? Die Objekte Martin Creeds existieren in einer Art Zwischenwelt, sind weder dies noch das, weder nichts noch wirklich etwas, weder „Kunst“ noch Alltagsobjekt, weder seriös noch ironisch, weder Negation noch Affirmation. Die Neonschrift THINGS (Work No. 221) sieht auf den ersten Blick wie klassische Werbung aus. Das Licht soll unser Augenmerk auf die Schrift lenken und helfen, auf etwas hinzuweisen – auf das banale Wort „Things“. Dieses Werk ist selbstreferenziell, d.h. es bezeichnet sich selbst. Tatsächlich besteht es aus solchen Dingen wie gebogenen Neonröhren, Kabel und einem Transformator. Es weist aber auch weit über sich selbst hinaus und steht in seiner kategorialen Bestimmtheit für die gesamte Objektwelt. Durch seine Anbringung in Augenhöhe wird es dazu noch zu einem (wegen des Lichts) auratischen Kunstobjekt. Mit den einfachsten Mitteln hinterfragt Martin Creed die Welt der Kunst und unsere Alltagswelt. Er stiftet mit Evidenz Verwirrung. BF

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