Marc Camille Chaimowicz (*1947 Paris)

Die Kunst von Marc Camille Chaimowicz (geboren in Paris, lebt und arbeitet in London) steckt voller Zwischentöne. Sie pendelt im Konkreten, wirkt aber zugleich abstrakt, gar entrückt. Gefühlvoll, aber trotzdem kühl. Intim und zugleich fremd. Seine Kunst ist fröhlich und melancholisch. Geschmackvoll, manchmal geradezu künstlich, dabei einfach. Selbst die Grenzlinien zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum zeigen sich als weiche Schattierungen.

Autobiographisch oder authentisch ist seine Kunst jedoch nicht. Wie man sich im Leben einrichtet, wie die Räume eingekleidet werden, bleibt ein Stück weit Konstruktion und Metapher. Die eigene Einrichtung vermag – wie das, was man am Körper trägt – Stabilität zu verleihen, dabei ist sie immer auch Bühne und Kostüm im Drehbuch des Lebens. Chaimowicz reduziert sich nicht auf die Welten des Privaten, es findet fortwährend ein Bezug zum öffentlichen Leben statt. Handlungen und Dinge gehen über in den öffentlichen Raum oder öffnen sich als Serienprodukt für viele.

Die eleganten Räume der Kunsthalle Bern, mit ihrer Mischung aus der vom Geist der Moderne geprägten, distanzierten Ausstellungsarchitekur und dem Flair grossbürgerlicher Wohnungen einer vergangenen Zeit, sind wie gemacht für Marc Camille Chaimowicz. In seinem Schaffen entwirft er eine Poetik des Interieurs, die sich als leichtfüssige Choreographie in den Raum entfaltet. Es handelt sich um die Bildwerdung eines ganz bestimmten Stilempfindens, um Atmosphären, die über die sensible Verformung der Gestalt der Dinge und ihr Zusammenspiel im Raum wach werden. Chaimoiwcz’ Inszenierungen zeichnen Portraits von Lebenswelten und Lebensweisen. Sie sind durchwirkt von literarischen, theatralen und malerischen Bezügen und rufen durch Andeutungen weitere Welten auf. Manche Arrangements erscheinen wie Stillleben oder Bühnensituationen, in denen man sich eine literarische Figur wie Emma Bovary vorstellen kann. Die Elemente des Interieurs sind in den Räumen oft weit auseinandergezogen. Gleichzeitig gaukeln manche der Objekte vor, sie könnten im häuslichen Bereich Gebrauch finden.

Das Ensemble Index besteht aus zwei Marmorplatten, einem Klavierstuhl und einer Vase und verweist in Richtungen, die charakteristisch sind für Chaimowicz: die Andeutung eines Lebensstils. Die aus Bozen stammenden Paneele tragen die klingenden Farbbezeichnungen «Verde Antigua» und «Amazzonite» und verkörpern das einst klassische Material für Skulpturen, das auch oft für Intarsien in prunkvollen Räumen verwendet wurde und dessen naturgegebenes Adern-Spiel bis heute nichts an seiner Faszination verloren hat. Die Vase war Teil einer Serie von Keramikobjekten, die der Künstler im Dialog mit den Handwerkern aus der historischen Manufaktur Bottega Gatti in Faenza entwickelte. Diese Vasen bildeten auch den Hauptbestandteil einer Ausstellung, in der vierzig Kanarienvögel frei durch die Räume schwirrten und sich auf den Vasen niederliessen. Der Klavierstuhl hat Chaimowicz selbst entworfen, er greift Art Déco-Elemente auf, ohne sich darauf festzusetzen. Index verbindet das Private und Persönliche, kulturelle und biografische Referenzen, auch das über Generationen angeeignete, handwerkliche Wissen und wird zu einer Installation zwischen Stillleben, Bühnensituation und innenarchitektonischem Entwurf.

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