„Do ré mi fa so la si do“ ist die erste ausschliesslich Gemälden gewidmete Ausstellung von Valentin Carron. Obwohl der Künstler bereits in den frühen Nullerjahren zu malen begonnen hat, sind bis vor kurzem kaum mehr als zwanzig Gemälde entstanden.
Im Grunde genommen sah Valentin Carron seine Gemälde immer als dreidimensionale Wandobjekte, die sich inmitten seiner vorrangig skulpturalen Produktion ansiedelten. Auch wenn die rund 34 Werke, welche für „Do ré mi fa so la si do“ entstanden sind, diese charakteristische Objekthaftigkeit der frühen Werke ebenso bewahren wie die ironische Selbsterkenntnis des eigenen Status als dekoratives Möbelstück behaupten, stellt sich dieses neue Ensemble auch formalen und konzeptuellen Diskursen der Malereigeschichte: Der Erosion der Bildsprachen des 20. Jahrhunderts genau so wie dem romantischen Heldenkult um die Figur des Malers. Alle Bilder, auch das von der Stiftung Kunsthalle Bern angekauft Werk „Do ré mi fa so la si do“, 2013, wurden mit Siebdruckfarbe auf PVC-Planen gemalt, welche dann mithilfe von Eisendrähten an Klempnerrohren befestigt wurden.
Seit 2006 verwendet Valentin Carron ausschliesslich diese Industriematerialien, um seine Gemälde zu fertigen. Dahinter steckt die Absicht, eine „von der säkularen Vergangenheit der Ölmalerei auf Leinwand sich abwendende Halterung zu finden, etwas Seelenloses und Künstliches“. Dieses Manko an intrinsischen und wesentlichen Qualitäten lässt sich auf die gesamte Produktion des Künstlers, welche mehrheitlich aus Kunstharz und Acrylfarben besteht, übertragen. Die Skulpturen Valentin Carrons führen bewusst oftmals auf Irrwege: Wenn er beispielsweise Artefakte präsentiert, welche angeblich den natürlichen authentischen Charakter der alpinen Kultur verkörpern, simulieren die Oberflächen dieser Skulpturen – bis zu einem bestimmten Grad – die Patina ihrer Vorbilder: Holz, Marmor, Beton, etc. Im Gegensatz dazu haben die Malereien von Anfang das Material, aus welchem sie gemacht sind, vorgeführt.
Valentin Carron beschreibt die Gemälde als eine Aneinanderreihung von implizierten Fehlschlägen. Ein gefundenes Motiv wird auf die Vinyloberfläche projiziert und mit einem Kugelschreiber nachgemalt. Rundherum wird, ähnlich wie in einem Malbuch, Farbe verteilt, ungeachtet der Tatsache, dass die verwendete Siebdruckfarbe eigentlich für den Druck und nicht für Malerei gedacht ist. Die Farbe wird schnell zähflüssig, verätzt die Oberfläche der Plane und trocknet im Nu, was eine gleichmässige Farbauftragung verunmöglicht. Das heisst, alles muss schnell geschehen, eine einzige Farbschicht ist möglich. „Es ist wie Freskenmalerei mit Teer,“ sagt Carron. „Dieses Arbeiten in diesem mir selbstauferlegten technischen Morast mag die Illusion einer ‚Sensibilität‘ andeuten, doch in Wahrheit hebelt es jegliche intuitive Leistung aus. Dieser Prozess ist körperlich anstrengend, psychologisch erschöpfend, und das Endresultat kann bloss enttäuschend sein.“
Alle Motive sind modernistisch inspirierte Illustrationen aus den Nachkriegsjahren, welche von den Umschlägen und Rücken von industriell produzierten, stoff- oder ledergebundenen Büchern stammen. Die meisten dieser Bücher wurden in der Schweiz, Frankreich, Deutschland und Polen über Buch- und Leseclubs vertrieben. „Natürlich lässt sich die progressive Haltung der damaligen Zeit nicht abstreiten, diese weit vertriebenen Bücher, in moderne Umschläge gekleidet, sind ein eindeutiger Ausdruck davon. Diese Umschlagsillustrationen sind formal nicht völlig uninteressant, gerade weil ihnen eine Verknüpfung komplexer bildhafter Expressionen gelingt. Gleichzeitig fühle ich mich oftmals zu den schlechteren hingezogen, Bilder, die eine tiefe Lustlosigkeit verkörpern, frei von jeglicher Hoffnung und Ambition, neue Formen zu finden. Diesen Motive scheinen von einem Überdruss zu sprechen, was auch viel damit zu tun, dass der Optimismus dieser Zeit seine Versprechen nicht gehalten hat. Es ist schwierig für mich, diese Bilder, wenn ich sie länger anschaue, nicht als ein Zeichen totaler Kapitulation zu sehen“.