iLiana Fokianaki zur neuen Direktorin der Kunsthalle Bern ernannt
Der Vorstand der Kunsthalle Bern gibt die Ernennung von iLiana Fokianaki zur neuen Direktorin bekannt. iLiana Fokianaki bringt umfassende Erfahrungen mit als Kuratorin, Autorin, Theoretikerin und Gründungsdirektorin von State of Concept, einer unabhängigen Kunstinstitution in Athen, Griechenland. Sie wird ihr Amt im April 2024 antreten. Sie folgt damit auf Kabelo Malatsie, die seit April 2022 als Direktorin der Kunsthalle Bern tätig ist und ihre Amtszeit im Februar 2024 abschliesst.
Das Co-Präsidium des Vorstands der Kunsthalle Bern, Lorenza Donati und Benjamin Dodell, freuen sich im Namen der siebenköpfigen Findungskommission, mit iLiana Fokianaki eine Direktorin gefunden zu haben, deren Erfahrung an den Schnittstellen von kuratorischer Praxis und gesellschaftlichem Wandel der Kunsthalle Bern in den kommenden Jahren zugutekommen wird. Sowohl Fokianakis bisherige Aktivitäten als auch ihr Vorhaben für die Kunsthalle Bern spiegeln ihre intensive Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Kontext wider, in dem sich ihre kuratorische Arbeit entfaltet.
iLiana Fokianaki erkennt, dass die Kunsthalle Bern auf eine bemerkenswerte Geschichte als führende Institution für zeitgenössische Kunst in Europa und darüber hinaus zurückblickt und zu einem wichtigen Katalysator für die künstlerische Praxis wurde, indem immer wieder institutionelle und kuratorische Haltungen eingenommen wurden, die vorherrschende Paradigma in diesem Bereich verschoben haben. Sie reagierte auf ihre Ernennung mit den Worten: «Ich bin begeistert, dass man mich für die Leitung der Institution ausgewählt hat, und ich stelle mir vor, dass die Kunsthalle Bern eine zentrale Rolle dabei einnehmen wird, einen Wandel in der Frage herbeizuführen, was es angesichts der ökologischen, sozialen und politischen Krisen unserer Zeit bedeutet ‹Kunst zu instituieren› – ein Unterfangen, das mich in meiner aktuellen Forschungs- und Kuratorentätigkeit beschäftigt.» Für Fokaniaki generieren Institutionen wichtige Inhalte. Sie seien «ethisch, vielfältig und demokratisch, indem sie Verbindungen zwischen verschiedenen Disziplinen und geografischen Regionen herstellen, künstlerische Praktiken unterstützen und gleichzeitig Allianzen und Symbiosen mit anderen Akteur:innen fördern. Damit sind auch die zentralen Herausforderungen benannt, die Kunstinstitutionen in naher Zukunft beschäftigen werden: Die Ausarbeitung einer nachhaltigen und umweltbewussten Praxis, die das Konzept der sozialen Gerechtigkeit und die reiche Pluralität der zeitgenössischen Gesellschaft im Programm reflektiert und repräsentiert.»
Fokianakis kuratorische Interessen formulieren sich als Ausstellungskapitel, sowie als öffentliche Veranstaltungsprogramme, Publikationen und Forschungsplattformen. Sie ist mit anderen Kunstinstitutionen breit vernetzt, mit denen State of Concept Ausstellungen und Veranstaltungen koproduziert hat, so z.B. mit e-flux New York, Kunsthall Trondheim, Kunstinstituut Melly Rotterdam, Moderna galerija Ljubljana, KADIST Paris, BAK Utrecht. Dazu kommen werkspezifische Koproduktionen mit Institutionen wie dem Dhaka Art Summit und anderen.
Auswahlverfahren mittels offener Ausschreibung
Der Vorstand der Kunsthalle Bern lancierte im Juni 2023 eine offene Ausschreibung für die Direktion und setzte eine Findungskommission ein, welche aus drei externen Expert:innen sowie vier Vorstandsmitgliedern bestand (siehe unten). Die Findungskommission war beeindruckt von Fokianakis Vorschlag für ein mehrjähriges Programm, das sich an den ökologischen Ansatz der Permakultur anlehnt und Künstler:innen, das Team, die breite Öffentlichkeit, verschiedene Interessensgruppen und Gemeinschaften in der Stadt Bern und darüber hinaus aktiv einbezieht. Die Kommission berücksichtigte auch Fokianakis Erfahrung und kompetente Führung von Institutionen und deren Teams. Ihre Expertise und ihr selbstreflexiver, multidisziplinärer Ansatz in der zeitgenössischen künstlerischen und kuratorischen Praxis und im Diskurs wurden ebenfalls hervorgehoben. Die Findungskommission erklärt entsprechend: «iLiana Fokianaki verfügt über die praktische Erfahrung, das Netzwerk und das kritische Bewusstsein, um einen kuratorischen und unternehmerischen Ansatz in die Kunsthalle Bern einzubringen, welcher von ihrem langjährigen Schaffen, ihrem Engagement und ihrer Organisationsarbeit geprägt und getragen wird.»
Fokianakis Amtszeit folgt auf die Leitung der Kunsthalle Bern durch Kabelo Malatsie. Als Kuratorin hinterfragte Malatsie rigide und hierarchische Ansätze in der künstlerischen und institutionellen Praxis, indem sie ein breites Spektrum von Künstler:innen einlud, bewegende räumliche Installationen zu schaffen. Mit einer Reihe von Einzel- und Gruppenausstellungen, an denen unter anderem Ivana Franke, Rahima Gambo, Simnikiwe Buhlungu, Lantian Xie, Jackie Karuti, Nolan Oswald Dennis, Tabita Rezaire und Bogosi Sekhukhuni mitgewirkt haben, forderte Malatsie kunsthistorische und kanonische Vorstellungen von ‹Kunst› und ‹Ausstellung› als stabile Kategorien heraus. Parallel zu einzelnen Ausstellungen lief vierzehn Monate lang das kuratorische Forschungsprojekt mit dem Titel «7 Winds», das Installationen, Klang- und Performance-Arbeiten umfasste und von Kabelo Malatsie, Julia Künzi und Camilla Paolino kuratiert wurde. Aktuell ist in der Kunsthalle Bern die Einzelausstellung Living Room von Deborah-Joyce Holman zu sehen (bis 3. Dezember 2023) sowie ein Veranstaltungsprogramm von Gästen, die mit Sound, Performance, Theater, Literatur, Kuration, Theorie und Lehre arbeiten (bis
30. Januar 2024).
Malatsies letzte Ausstellung in der Kunsthalle Bern wird Mitte Februar 2024 eröffnet. Der Vorstand und das Team der Kunsthalle Bern möchten Kabelo Malatsie ihren Dank und ihre tiefe Wertschätzung dafür aussprechen, dass sie eine solche Bandbreite an künstlerischen Perspektiven, Praktiken, Fragen und Orten in die Vorstellungskraft der Institution eingebracht hat und dass sie die Kunsthalle mit grosser Umsicht, Präzision und Hingabe geleitet hat.
Zu iLiana Fokianaki
iLiana Fokianaki ist Kuratorin, Theoretikerin und Vermittlerin. Sie hat eine Reihe von Gruppen- und Einzelausstellungen und Forschungsprojekten in Institutionen auf der ganzen Welt verwirklicht. Als Gründerin und Leiterin von State of Concept Athens prägt sie seit 2013 die Kunstszene der griechischen Hauptstadt mit Ausstellungen von Künstler:innen wie Forensic Architecture, Kader Attia, Kapwani Kiwanga, Basim Magdy, Trinh T. Minh-ha, Laure Prouvost, Sanja Iveković, Uriel Orlow oder Anton Vidokle. Fokianaki gründete die Forschungsplattform «The Bureau of Care», welche seit 2020 Gespräche rund um Politik und Ethik von Care abbildet. Sie kuratierte Ausstellungen für internationale Institutionen wie das Museo Reina Sofia Madrid, e-flux New York, La Colonie Paris, KADIST Paris, Kunstinstituut Melly Rotterdam, Museum für zeitgenössische Kunst Metelkova Ljubljana, ebenso wie Veranstaltungsreihen, unter anderem für das Vera List Center for Art and Politics New York, Het Nieuwe Instituut und das Goethe Institut Rotterdam. iLiana Fokianaki hielt Vorträge am Niederländischen Kunstinstitut Arnheim und an Akademien, in freien Kunsträumen, Museen und Stiftungen weltweit. Ihre Texte werden regelmässig in Journalen wie e-flux, Frieze und in anderen Publikationen veröffentlicht. iLiana Fokianaki hat zudem an mehreren Publikationen mitgewirkt. Ihre Bücher «Gossips: WomXn Gather» und «The Bureau of Care» werden im Jahr 2024 bei Archive Books erscheinen.
Findungskommission
Hicham Khalidi, Direktor der Jan van Eyck Academie in Maastricht und Kurator des niederländischen Pavillons der Biennale Venedig 2024
Andrea Thal, künstlerische Leiterin des Contemporary Image Collective CIC in Kairo und Kuratorin der Sommerakademie Paul Klee 2023/24 in Bern
Franciska Zólyom, Direktorin der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig
Anisha Imhasly (Vorsitzende der Auswahlkommission), Vorstandsmitglied Kunsthalle Bern seit 2015, Kulturberaterin und Coach, Bern
Lorenza Donati, Co-Präsidium des Vorstands der Kunsthalle Bern (seit 2023) und Vorstandsmitglied seit 2020, Architektin, Mitbegründerin von ALIAS architects und Lehrbeauftragte an der ETH, Zürich
Benjamin Dodell, Co-Präsidium des Vorstands der Kunsthalle Bern (seit 2023) und Vorstandsmitglied seit 2022, Leitung Marketing, Hochschule der Künste Bern (HKB), Verleger der «Edition Benjamin Dodell» und Vorstandsmitglied von Visarte Schweiz seit 2014
Berit Seidel, Vorstandsmitglied Kunsthalle Bern seit 2023, Künstlerin, U5 Kollektiv, Zürich
Koordination:
Alessa Panayioutou, Bern
Monika Baer (*1964)
Mögen sich die Fragestellungen, wie Malerei verstanden wird, in den letzten dreissig Jahren mannigfaltig verändert haben, arbeitet Monika Baer mit ungebrochener Lust daran, herauszufinden, wie ihre Bilder den Veränderungen begegnen können. Die Haltung, mit der sie sich in den Prozess des Wandels einmischt, fordert die Betrachtenden offensiv heraus.
Andrea Fraser (*1965)
Die amerikanische Künstlerin Andrea Fraser (*1965) gilt als eine der wichtigsten Begründer:innen der Institutional Critique. Seit Mitte der 2000er Jahre haben sich ihre Performances und Video-Installationen von der Untersuchung institutioneller Systeme hin zu derjenigen soziopolitischer Strukturen zugewandt, die Identitäten und soziale Ordnungen produzieren und reproduzieren.
Annina Matter & Urs Zahn (*1981/*1976)
Annina Matter und Urs Zahn (*1981/*1976, leben in Bern) entwickeln ihre Arbeiten seit 2011 gemeinsam. Drei, der vier von der Stiftung erworbenen Bilder wurden in der Gruppenausstellung Lose Enden (2021) gezeigt, welche disparate malerische Praxen von Maler*innen einer hier behaupteten Generation versammelte. Wie andere Künstler*innen der Ausstellung fanden auch Matter und Zahn über Umwege zur Malerei.
Hans Stalder (*1957 Bern)
Die Stiftung Kunsthalle Bern erwarb drei Werke des Berner Malers Hans Stalder (*1957, lebt in Bern), die in der Ausstellung Lose Enden im Hauptsaal der Kunsthalle Bern gezeigt wurden. Zwei davon zeigen belebte Tischszenen, auf dem dritten ist eine Gruppierung von Krähen zu sehen. Es sind ungewöhnliche Sujets für Stalder, dessen Malereien sich bisher eher auf Einzelmotive wie Portraits, Vögel oder Blumen konzentrierte. In Anlehnung an die Pop-Art entstanden diese in mehrfachen Wiederholungen und dominierten in leuchtenden Farben die grafischen Bildräume.
Marc Camille Chaimowicz (*1947 Paris)
Die Kunst von Marc Camille Chaimowicz (geboren in Paris, lebt und arbeitet in London) steckt voller Zwischentöne. Sie pendelt im Konkreten, wirkt aber zugleich abstrakt, gar entrückt. Gefühlvoll, aber trotzdem kühl. Intim und zugleich fremd. Seine Kunst ist fröhlich und melancholisch. Geschmackvoll, manchmal geradezu künstlich, dabei einfach. Selbst die Grenzlinien zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum zeigen sich als weiche Schattierungen.
Ryan Gander (*1976 Chester )
Ryan Gander scheut es selten, in seiner künstlerischen Praxis universelle Themen aufzugreifen. Viele der in The 500 Million Year Collaboration gezeigten Arbeiten drehen sich um Vorstellungen von Zeit und die Wahrnehmung des Selbst. Es handelte sich um die bisher umfassendste institutionelle Ausstellung des Künstlers, in der vor allem neue oder noch kaum gezeigte Arbeiten miteinander in Bezug gebracht wurden.
Amelie von Wulffen (*1966 Breitenbrunn)
In den Bildern Amelie von Wulffens schieben sich ferngesehene Fiktionen, Selbsterlebtes und die Möglichkeiten der Malerei ineinander. Ihr Potenzial als Technik und Kunstform, auch ihrer als minderwertig geltenden Spielarten, wird ausgelotet. In von Wulffens Umgang mit der Malerei entfalten sich überraschende Bildwelten voller Abgründe, die jedoch selbst dort, wo sie das Fantastische streifen, der Realität verpflichtet bleiben.
Tobias Kaspar (*1984)
Tobias Kaspar (*1984 in Basel, lebt in Zürich und Riga) verkörpert keine skeptische, Distanz suchende Position, sondern um eine, die im Inneren der Strukturen und Geschichten von Kunst aus dem Vollen schöpft. Sie ist geradezu fasziniert von den Mechanismen, die Wert- und Geschmacksbildungsprozesse prägen.
Michael Krebber (*1954 Köln)
Michael Krebber (*1954 in Köln, lebt in New York) führte viele Jahre ein Doppelleben als Gerücht. Er leistete diesem Schillern Vorschub, indem er wenig bis gar nichts von sich zeigte. Ab einem bestimmten Moment zeigte der Maler ein bisschen mehr, doch ging es dabei um die Frage, wie viel ein Künstler zeigen soll.
Stefan Burger (*1977 Müllheim/Baden)
Nicht wenige Künstler*innen suchen seit einiger Zeit den Widerstand des Materials. Ihre Suche scheint nicht allein der Flucht aus der Langeweile angesichts der allzu vertraut gewordenen Oberflächen einer digital geprägten Welt geschuldet.
Ull Hohn (*1960)
Ull Hohns erste Ausstellung mit in New York hergestellten Arbeiten, die Abschlusspräsentation am Whitney ISP 1988, markiert das Ende seiner künstlerischen Ausbildung.
Michaela Eichwald (*1967 Berlin)
Mit ihren über fünf Metern Länge setzen Michaela Eichwalds (*1967, lebt in Berlin) Collagen Knotti Times I und Knotti Times II (beide 2013) zu ihrer Erfassung einerseits Distanz, andererseits Nähe voraus. Bearbeite Zeitungsausschnitte, – darunter ein Cover der Zeitschrift Text + Kritik von 1975, Hochzeitseinladungen oder eine Seekarte aus der DDR sind zusammen mit Fotografien oder Fotokopien älterer Werke und Textpassagen auf Papieruntergrund geklebt und malerisch verbunden.
Leidy Churchman (*1979)
In seinem Video Painting Treatments (2010) führt Leidy Churchman (*1979, lebt in New York) gemeinsam mit den Künstlern MPA und Anna Rosen Gesten der Malerei aufliegenden Körpern aus. Die Aktionen sind zuweilen energisch, erotisch und ruppig.
Shimabuku (*1969)
Wie Voltaires Candide durchstreift Shimabuku die Welt, begegnet anderen Menschen und der Natur, und macht poetische, witzige und faszinierende Erlebnisse. Jedes seiner Werke erzählt die Geschichte einer unwahrscheinlichen Begegnung, einer Überwindung von Grenzen zwischen Staaten, Spezies und Zuständen.
Lena Henke (*1982)
Die Stiftung Kunsthalle Bern kaufte mit Geburt und Familie eine grossformatige PVC-Fahne von Lena Henke an, die als Teil der Ausstellung Revelry an der äusseren Rückwand der Kunsthalle Bern und dem angrenzenden Garten zugewandt installiert wurde. Die Fahne zeigt ein leeres Bassin, das die Künstlerin benutzte, um eine Auswahl an Tischskulpturen von ausschliesslich männlichen modernen Meistern – von Matisse bis Man Ray – zu arrangieren.