Luc Tuymans (*1958 Belgien)

Im Widerspruch zu den maßgeblichen Positionen der Malerei in der Moderne sind die Arbeiten von Tuymans immer figurativ. Wie die abstrakte Malerei der Moderne hat die figurative Malerei mit der Problematik der Darstellung und der Wiedergabe zu tun, wie die Malerei der Moderne erarbeitet sie Positionen der Zerstörung (Dekonstruktion) malerischer Repräsentation (Wieder-Vergegenwärtigung) - doch im Gegensatz zur Moderne ohne deren utopischen Impetus. Diese figurative Malerei ist eine Malerei der Unmöglichkeit von Figuration. Von innen her wird das Darstellungsparadigma selbst zersetzt.

«Silence» von 1991 zeigt, nur schwach sichtbar, den angedeuteten Kopf eines Kindes im großen weißen Feld der Leinwand - eigentlich handelt es sich um Linienzüge eines Kopfes, welche zwei gelb-orangefarbene Markierungen („Augen“) umgeben und ihnen einen Ort anweisen. Tuymans selbst formuliert: „«Silence» ist ein Bild mit einem Kopf wie dem Kopf einer Puppe. Aber es ist der Kopf eines kranken Kindes… Das Kind ist wie von einem Virus getroffen, der sich über den ganzen Körper ausgebreitet hat. Das Bild entspricht einer vollkommenen Stille; fast als habe sein Dasein seine eigenen Begrenzungen verschlungen. Es will nicht länger anwesend sein, sondern verschwinden.“

Im dreiteiligen «Ice» von 1992 wird grundsätzlich die gleiche Strategie wie in «Silence» (und vielen anderen Arbeiten) verfolgt. Doch ist prägnant, wie der Modus der photographischen Darstellung aufgenommen wird. Die Photographie ist das spezielle Medium metonymischer Darstellung: Die automatische Fragmentierung größerer Zusammenhänge gehört zu ihren wesentlichen Bedingungen. Arbeiten von Tuymans wie «Ice» sind infiltriert mit dem photographischen Modus der Kontingenz - mit dem Modus jener Form der Repräsentation, welche der malerischen Wiedergabe gegenüber die größte Herausforderung darstellt. Die Bildgegenstände der drei Teile von «Ice», «Schloß mit Türklinke», «Gummihandschuh und Kasten mit Eiswürfeln» erscheinen wie Indizien am Tatort eines Verbrechens. Sie beinhalten den Verweis auf ein Geschehen, auf etwas „dahinter“, das sich aber dem Zugriff des Betrachters entzieht. U.L.

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